Bringing God’s Kingdom to Earth

Das Reich Gottes auf die Erde holen

Klaus Rösler - August 12, 2008

L e i p z i g - Zu größerer Radikalität in der Nachfolge von Jesus Christus im Kampf gegen Ungerechtigkeit und Armut wurde auf der Weltjugendkonferenz des Baptistischen Weltbundes vom 30. Juli bis 3. August in Leipzig aufgerufen. „An Gott zu glauben, bedeutet das Reich Gottes auf die Erde zu holen“, sagte der Leiter der Kommunität „The Simple Way“ (Der einfache Weg), der US-Amerikaner Shane Claiborne (Philadelphia). Er hinterließ bei vielen der 6.300 Tagungsteilnehmern aus 89 Ländern von allen Referenten den größten Eindruckt. Der 33-jährige Baptist bedauerte, dass die Kirche vielfach nur „fromme Spielchen“ betreibe, statt sich wirklich für die Beseitigung der Probleme der Welt zu engagieren. Claiborne kümmert sich in Philadelphia vor allem um Obdachlose, nachdem er zuvor ein Praktikum bei Mutter Teresa (1910-1997) in Kalkutta absolviert und gegen den Irakkrieg durch einen Aufenthalt bei Christen im Irak protestiert hatte:„Es gibt Dinge auf der Welt, für die es sich lohnt zu streben, aber es gibt nichts, wofür es sich lohnt, andere zu töten.“ In Philadelphia wurde er angeklagt, weil er Obdachlose versorgt und mit ihnen die Nacht im Park verbracht habe. Der Richter habe ihn aber als „Freiheitskämpfer“ freigesprochen.,

Dass man nicht erwachsen sein muss, um sich für mehr Gerechtigkeit zu engagieren, schilderte der 16-jährige Schüler Zach Hunter (Atlanta/USA). Bereits seit dem Alter von zwölf Jahren engagiere er sich für die Abschaffung der modernen Form der Sklaverei weltweit, von der über 27 Millionen Menschen betroffen seien. Er kämpfe sowohl gegen Kinderarbeit in den Steinbrüchen Asiens wie Mädchen in der Zwangsprostitution. Er hat bereits zwei Bücher geschrieben und eine Unterschriftenkampagne initiiert, die 170.000 Mal unterzeichnet wurde. Jeder Christ könne ähnliche Projekte starten, meinte er. „Es würde nicht so viel Leid auf der Welt geben, wenn wir Christen stärker an der Problembeseitigung arbeiten würden“, erläuterte er.

In einer Bibelarbeit über den Zolleinnehmer Zachäus wandte sich der Vorsitzende der baptistischen Jugendarbeit in Europa, der britische Missionsberater Nick Lear (Didcot), gegen einen von Habgier geprägten Lebensstil. So lebten die reichen Länder der Erde in ihrem relativen Luxus auf Kosten der anderen: „Wir verlangen die niedrigsten Preise und denken nicht daran, ob die Menschen, die die Waren herstellen, dafür einen angemessenen Preis erhalten.“ Dabei konsumierten die reichen Länder letztlich mehr als ihnen zustehe. So verspeisten die fünf Prozent der Erdbevölkerung in den wohlhabendsten Ländern 45 Prozent allen Fleisches und allen Fischs, während sich die ärmsten fünf Prozent gar kein Fleisch und Fisch leisten könnten; die reichsten verbrauchten 58 Prozent aller Energie weltweit, die ärmsten nur vier Prozent; die reichsten benutzten 87 aller Autos, die ärmsten weniger als ein Prozent.

Der Präsident des Baptistischen Weltbundes (BWA), der Brite David Coffey (Didcot), plädierte vor Journalisten dafür, Koalitionen zwischen Christen und Nichtchristen zu schließen, um die größten Probleme der Gegenwart zu lösen. Politiker und Regierungen seien mit der Lösung der aktuellen weltweiten Herausforderungen überfordert, wie den Kampf gegen die Armut und Umweltverschmutzung und für Gerechtigkeit. „Veränderungen und Reformen haben nie mit großen Bewegungen begonnen: Wir brauchen Tausende kleiner Bewegung von Menschen.“ Auf die Herausforderungen der Zeit hätten auch die Christen zwar nicht immer Antworten, doch sie könnten ihre Leidenschaft mit einbringen. Coffey widersprach der Auffassung, dass die Blütezeit des Christentums in Europa vorüber sei und ein bewegendes christliches Leben nur in anderen Regionen der Erde, etwa Afrika und Asien, zu finden sei. Die Weltjugendkonferenz in Leipzig zeige, dass die Jugendlichen gerade auch in Europa motiviert seien, als Nachfolger von Jesus Christus „die Welt zu verändern“. Coffey: „Ich habe große Hoffnung.“ Etwas zwei Drittel der 6.300 Dauerteilnehmer sind Europäer.

Am Samstag fand in der Innenstadt von Leipzig ein buntes, teilweise missionarisch geprägtes Kulturprogramm unter dem Motto „Leipzig live“ statt. Es war vor allem von der Leipziger Baptistengemeinde mit vorbereitet worden. Auf drei Bühnen gab es Konzerte sowie Pantomime- und Tanzdarbietungen. Bei einer Wohltätigkeitaktion kamen 5.200 Euro für ein Wasserprojekt des christlichen Hilfswerks World Vision in Äthiopien zusammen. Vor allem wurde an die friedliche Revolution 1989 erinnert. Der frühere Pastor an der Nikolaikirche und Initiator der Montagsdemonstrationen in Leipzig, Christian Führer, bekannte, dass die Demonstranten durchaus Angst vor gewalttätigen Übergriffen der Staatsmacht gehabt hätten. Doch der Glaube der Christen sei damals größer als die Furcht gewesen.

Die Weltjugendkonferenz war mit einer Multimediashow aus Videoclips, Pantomime, Gesang und einem Streichquartett über die Geschichte Deutschlands eröffnet worden. In der 35-minütigen englischsprachigen Show wurde ein Bogen durch die letzten 500 Jahre der deutschen Geschichte gespannt – vom Reformator Martin Luther (1483-1546), über den Komponisten Johann Sebastian Bach (1685-1750), den Begründer des Baptismus in Deutschland und Kontinentaleuropa, Johann Gerhard Oncken (1800-1880), bis hin zur Fußballweltmeisterschaft 2006. Dabei wurden auch dunkle Kapitel wie der Zweite Weltkrieg und der Holocaust nicht ausgeklammert. Die Schau gipfelte in dem Aufruf, die Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen zu tragen. Allen Besuchern wurde eine in ein Stoffsäckchen verpackte Perle geschenkt, die sie an daran erinnern soll, dass sie in den Augen Gottes wertvoll sind.

Eines von über 50 Seminaren wurde von der EBF-Mitarbeiterin, der Estin Helle Liht (Prag), gestaltet. In ihrer Veranstaltung unter dem Motto „Der Schrei der Schöpfung – Was soll’s?“ rührte sie die Werbetrommel für einen schöpfungsgemäßen Lebensstil. Erstmals wurde ein solches „Öko-Seminar“ bei einer Tagung des Baptistischen Weltbundes angeboten. Die Estin ermutigte dazu, schon im Privatbereich erste Schritte zu gehen. Dies beginne damit, etwa Bäume zu pflanzen und die Umgebung vom Müll zu säubern. Darüber hinaus solle man sich über die Herkunft von Produkten informieren. Sie riet Christen, nicht alle Lebensmittel bedenkenlos zu konsumieren. Manche Nascherei seien etwa durch die Mitwirkung von Kindersklaven hergestellt werden. In Zweifelsfällen sollte man lieber auf fair gehandelte Waren als auf kostengünstige Schnäppchen zurückgreifen. Dann könne man sicher sein, dass die Hersteller auch einen angemessenen Preis für ihre Waren erhalten hätten.

Der Generalsekretär der Europäischen-Baptistischen Föderation, Tony Peck (Prag), zog ein positives Fazit der Veranstaltung: „Das ist hier ein gute Sache.“ Auch kleine Bünde mit nur wenigen Mitgliedern - wie etwa Mazedonien, wo es nur zwei Gemeinden gibt – seien „,mit 10 Teilnehmern nach Leipzig gekommen“ Schon Teenager lernten so in Leipzig, dass „die Baptisten eine weltweite Bewegung sind“: „Das ist eine großartige Erfahrung.“

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