From Neo-Nazi to Baptist Pastor

Vom Neonazis zum Baptistenpastor

Klaus Rösler - December 29, 2012

Berlin – Johannes Kneifel studiert Theologie am Theologischen Seminar Elstal (bei Berlin) des deutschen Baptistenbundes. 2013 will er Baptistenpastor werden. Doch weit über die Grenzen der Freikirche hinaus bekannt geworden ist er durch Fernsehauftritte in Talkshows in Deutschland, Vorträge und ein Buch über sein Leben. Denn als 17-Jähriger war er Neonazi und hatte einen Mann zu Tode geprügelt. Inzwischen hat er sich von seiner Vergangenheit gelöst, ist Christ geworden und warnt vor der Neonazi-Szene. EBPS-Redakteur Klaus Rösler stellt den 30-Jährigen vor:
Mit 13 schließt sich Johannes Kneifel in Celle den Neonazis an. Er sucht Helden, die ihm Sinn und Halt vermitteln. Denn zu Hause findet er keine Geborgenheit. „Meine Eltern waren schwer krank, behindert, arm, sozial isoliert“, erinnert er sich. Der Vater ist arbeitslos, die Mutter hat Multiple Sklerose. Seinen Vater beschimpft er als Versager, die Mutter als Krüppel. In der Schule ist er allein und schämt sich wegen seiner Herkunft. Dann lernt er die Rechtsradikalen kennen. „Du bist Herrenmensch, du gehört zur Elite“, sagen sie ihm. Er findet Freunde. Sich von „normalen Menschen“ wegen seiner nationalsozialistischen Gesinnung anfeinden zu lassen, das macht ihn stolz. Und er hasst Ausländer, nachdem einige Jugendliche ihn als 15-Jährigen fast totgeschlagen haben. Er trinkt, prügelt sich mit anderen und wird zunehmend radikaler.

Am 19. August 1999 überfällt er in Eschede mit einem Kumpel den Bedürftigen Peter Deutschland, nachdem die beiden sich vorher auf einem Spielplatz kräftig haben volllaufen lassen. Die beiden kennen ihr Opfer, weil er sich als „Hippie“ immer wieder mal mit ihnen angelegt hat. Sie sollen „den Scheiß mit dem Skinhead-Gehabe“ lassen. Die beiden sind deshalb sauer auf ihn. Sie treten seine Tür ein und schlagen ihn brutal zusammen. Auch als er schon am Boden liegt, tritt Johannes Kneifel mit seinen schweren Stiefeln noch einmal zu. Die beiden zerstören das Telefon, damit er keine Hilfe holen kann. Als Nachbarn schließlich doch die Hilferufe des 44-Jährigen hören, ist es zu spät. Am nächsten Tag erliegt er im Krankenhaus seinen Verletzungen.

Noch am selben Tag werden die beiden ermittelt und später jeweils zu 5 Jahren Jugendhaft wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. „Ich schäme mich“, bekennt Johannes Kneifel heute. Er weiß: Er kann die Tat nicht ungeschehen oder wieder gutmachen. Einem Menschen das Leben genommen zu haben, „und mit der Endgültigkeit dieser Tatsache umzugehen, ist sehr schwer“.

Auch im Jugendgefängnis in Hameln gilt er als „gefährlich und gewaltbereit“. Doch er macht dort auch andere Erfahrungen. Er freundet sich mit Mitgefangenen an – Ausländern, die ihm gegenüber keine Vorurteile zeigen. Und er geht in den Gottesdienst: „Am Anfang war die Andacht nur die Zeit, die mir Abwechslung geboten hat. Ein paar Stunden rauskommen und Kaffee trinken.“ Aber hinter Gittern trifft er auch Christen, die sich um ihn kümmern, obwohl sie wissen, was er getan hat: „Aber die sahen mich trotzdem als Mensch.“ In einem Gottesdienst 2003 erlebt er es plötzlich, dass Gott direkt zu ihm spricht: „Er hat gesagt: ‚Johannes, du musst dich entscheiden, ob du mich in dein Leben lassen willst.’ Vorher hatte ich nie gelernt, einem Menschen zu vertrauen, aber jetzt spürte ich, wie eine körperliche und seelische Last von mir fiel. Gott wollte mir verzeihen.“ In seiner Zelle fällt er auf die Knie und betet. Und er erlebt, dass tiefe Freude und Frieden ihn erfüllen. Er weiß: „Gott hat mir vergeben.“ Seitdem liest er auch in der Bibel. Regelmäßig.

Nach seiner Entlassung macht er das Fachabitur. Er hat fast nur Einsen. Und er schließt sich – auf der Suche nach „lebendigen Christen“ – der Baptistengemeinde in Hameln an. Seine Wohnung liegt direkt in der Nähe der Gemeinde. Zunächst will er Maschinenbau studieren. Doch im Gebet wird ihm klar, dass er Theologie am Theologischen Seminar Elstal studieren soll. Ein Jahr lang macht er ein Praktikum in einer Gemeinde. Dabei wird ihm klar, dass er auf dem richtigen Weg ist. Daneben warnt er in öffentlichen Veranstaltungen immer wieder vor der Gefahr des Rechtsradikalismus und lädt auch zum Glauben an Gott ein.

Sein Ausstieg aus der Neonazi-Szene ist keine Selbstverständlichkeit. Sein Mittäter ist weiter dabei. Er prügelt und provoziert. 2009 wird er wegen gefährlicher Körperverletzung erneut zu einer Haftstrafe von 14 Monaten verurteilt.
Johannes Kneifel ist dankbar, dass er diese zweite Chance bekommen hat. Über sein Leben hat er ein Buch geschrieben. Es heißt „Vom Saulus zum Paulus – Skinhead, Gewalttäter, Pastor - meine drei Leben“, das gerade in der zweiten Auflage erschienen ist. Auch als Pastor will er weiter vor der Gefahr durch rechtes Gedankengut warnen.

 

 

 

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