Living as a Polish Protestant – Not Exactly Easy

Leben als Protestant in Polen – nicht ganz einfach

Klaus Rösler - September 15, 2006

W a r s c h a u – Für angehende evangelikale Pastoren in Polen ist es nicht immer leicht, dem Ruf Gottes zu folgen: Sie werden schlecht bezahlt. Darauf hat jetzt der Direktor des Warschauer Baptistischen Theologischen Seminars (WBST), der Brite Michael Bochenski (Radosc bei Warschau), gegenüber dem Europäischen Baptistischen Pressedienst (EBPS) aufmerksam gemacht. An der Ausbildungsstätte werden nicht nur angehende Baptistenpastoren ausgebildet. „Das Gehalt der evangelikalen Pastoren in Polen ist kaum höher als die Spesen eines Pastors in Westeuropa“, so Bochenski. Dies mache es nicht leicht, dem Ruf Gottes in den hauptamtlichen Dienst zu folgen. Auch seinem Seminar stehe nur ein geringes Budget zur Verfügung: „Wir bilden hier rund 200 angehende Theologen aus – und das zu Kosten, die etwa so hoch sind wie der Haushalt einer mittleren Gemeinde in Großbritannien.“ Bochenski hat Vergleichsmöglichkeiten. Bevor er 2005 WBST-Rektor wurde, war er 25 Jahre lang Baptistenpastor in Großbritannien. Drei Jahre arbeitete er auch als Mitarbeiter im Britischen Baptistenbund, zwei Jahre war er ehrenamtlich als Präsident der Kirche tätig. Dass er der Berufung nach Polen folgte, hängt mit seiner Biographie zusammen: Er ist der Sohn eines katholischen polnischen Vaters und einer baptistischen englischen Mutter: „Ich bin international aufgewachsen.“ Er liebe sowohl West- als auch Osteuropa mit seinem unterschiedlichen religiösen Erbe. Da er von klein auf in England eine baptistische Sonntagsschule besucht habe, „haben die Baptisten gewonnen“.

Als Protestant in einem stark katholisch geprägten Land zu leben, sei nicht immer einfach. Allerdings hätten die Baptisten schon seit vielen Jahren konstruktiv in der Ökumene mitarbeitet. Den Durchbruch habe der Besuch des bekannten baptistischen Evangelisten Billy Graham 1978 in Polen ermöglicht. Nach Einschätzung von Bochenski hat Polen nie innerlich zum Ostblock gehört. Dass Polen jetzt zur Europäischen Union gehöre, sei der Höhepunkt im Jahrhunderte dauernden Freiheitskampf des Landes. Die jüngere Generation in Polen kenne nur die Freiheit, manche Älteren müssten erst noch lernen, sich an ihr zu freuen und ihr zu trauen. Bochenski: „Polen ist ein tolles Land zum Leben und zum Arbeiten.“ 

Das WBST wurde 1923 als Bibelschule „Bethel“ gegründet. Den Zweiten Weltkrieg habe die Schule unbeschadet überstanden. Erst 1984 gelang es, eine Erlaubnis der damals noch kommunistischen Regierung für die Erweiterung der Schule zu erlangen. 1994, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, wurde der neue Campus schließlich eingeweiht. Die Bachelor-Abschlüsse (Bachelor of Divinity) des Seminar sind vom polnischen Staat offiziell anerkannt. Zur Ausbildungsstätte gehört auch eine von der Europäischen Union finanziell unterstützte Englisch-Sprachschule mit 150 Studierenden.

In Polen gibt es 79 Baptistengemeinde mit rund 4.700 Mitgliedern. 95 Prozent der knapp 40 Millionen Einwohner des Landes sind katholisch.

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