‘We Will Continue to Grow Smaller’

„Wir werden weiterhin weniger werden“

Klaus Rösler - May 17, 2010

Kassel – Der deutsche Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden schrumpft leicht. Wie auf der jährlichen Bundesratstagung der aus Baptisten- und Brüdergemeinden bestehenden Freikirche Anfang Mai in Kassel bekannt wurde, ist die Zahl der Gemeinden um fünf auf 823 und die der Gemeindemitglieder um 0,5 % auf 83.285 gesunken. In dem Bund gab es im vergangenen Jahr 1.905 Taufen – die geringste Zahl seit 1995. Dazu hieß es, man könne den Trend mittelfristig nicht ändern: „Wir werden weiterhin weniger werden.“ Einige Gemeinden entwickelten sich gegen den Trend gut. 187 Gemeinden hätten in den letzten zwölf Jahren ihre Mitgliederzahl um mehr als 15 % gesteigert, doch 323 Gemeinden seien um mehr als 15 % geschrumpft. Der Leiter des Dienstbereichs Gemeindeentwicklung, Friedrich Schneider (Oldenburg), stellte eine wachsende Entfremdung der Gemeinden von ihrem Dachverband – dem Bund – fest. Von den 690 Gemeinden (ohne Tochter- und Zweiggemeinden) seien nur 386 bei der Bundesratstagung in Kassel vertreten gewesen.

Auch Präsident Hartmut Riemenschneider (Marl) und Generalsekretärin Regina Claas (Elstal bei Berlin) räumten ein, dass sich ihre Freikirche derzeit „in einer schwierigen Situation“ befinde. Sie riefen die Gemeinden dazu auf, stärker zusammen zu stehen. Der wichtigste Auftrag sei die Mission. In der Aussprache wurden Anregungen weitergegeben, um die Lage zu verbessern. Nötig sei eine tiefe geistliche Erneuerung, hieß es. Ein Pastor stellte eine „mangelnde Trennschärfe zwischen geistlichem und ungeistlichem Verhalten“ bei den Mitarbeitern fest.

Erstmals war auf der Konferenz ein Vertreter unabhängiger baptistischer Aussiedler-Gemeinden mit dabei. Der Rektor des überwiegend von Baptisten aus der ehemaligen Sowjetunion getragenen Bibelseminars Bonn, Heinrich Derksen, regte an, zwischen beiden Gruppierungen „Brücken zu bauen“ und die Zukunft gemeinsam zu gestalten. Die Aussiedlergemeinden hätten in der Vergangenheit meist nur ihre eigenen Gemeinden im Blick gehabt. Sie hätten damit gegen das Hohepriesterliche Gebet verstoßen, in dem Jesus Christus seine Nachfolger um Einheit bittet. Unter den rund 450 baptistisch oder mennonitisch geprägten Gemeinden in Deutschland mit ihren 120.000 Gottesdienstbesuchern gebe es ein Dutzend verschiedene Gemeindebünde. Die Hälfte aller Gemeinden sei völlig unabhängig. „Aussiedler haben sich in der Vergangenheit unnötig isoliert und distanziert“, bedauerte Derksen. Sie müssten eine neue Sichtweise entwickelt, gerade auch angesichts der missionarischen Herausforderung: „Deutschland ist ein Missionsland. Das Land der Reformation braucht eine geistliche Erweckung und Erneuerung.“ Die meisten Aussiedlergemeinden wüchsen, weil viele der 2,5 Millionen Russlanddeutschen Christen würden. Derksen: „Unter Aussiedlern ist noch Erntezeit.“

Erstmals seit vielen Jahren nahm eine Delegation des holländischen Bundesbundes an dem Treffen teil. Auch Helle Liht von der Europäischen Baptistischen Föderation war mit dabei wie auch Gäste aus Afrika. 

Mit einer deutlichen Erhöhung ihrer Pro-Kopf-Umlage will der Bund seine Finanzen in den Griff kriegen. Der Bundesrat beschloss, den von den Gemeinden pro Mitglied zur Zahlung empfohlenen „Bundesmissionsbeitrag“ für das kommende Jahr um 6 Euro auf 57 Euro (+ 11,7 %) in den alten Bundesländern und auf 48 Euro (+ 14,3 %) in den neuen Bundesländern zu erhöhen. Zugleich wurde entschieden, die Umlage künftig als „Bundesbeitrag“ zu bezeichnen. Die Freikirche hatte im vergangenen Jahr ein Defizit in Höhe von 470.000 Euro verbucht. 250 der 830 Gemeinden hatten den Bundesmissionsbeitrag nicht in voller Höhe überwiesen. In der Aussprache wurde davor gewarnt, in einer Freikirche durch die Hintertür eine für alle Mitglieder verpflichtende „Kirchensteuer“ einzuführen. Die Brüdergemeinden stellen rund 10 % aller Mitglieder.

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